Veranstaltung: | Wasserantrag |
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Antragsteller*in: | Katharina Schmidt (Sonneberg-Hildburghausen RV) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 08.12.2020, 19:22 |
A1: Wasser
Antragstext
Wasser - Ursprung allen Lebens. Wir alle sind vollständig von Wasser abhängig,
jede Person, jede Gesellschaft, jede Wirtschaft. Wasser ist ein Lebenselement,
das in der Evolution des Lebens und in der menschlichen Geschichte, Literatur
und Religion eine herausragende Stellung einnimmt. Wasser war in vielen Gegenden
der Erde schon immer ein knappes, ungeheuer kostbares Gut. Wir hatten es in
Mitteleuropa in scheinbar unbegrenztem Ausmaß - konstant und regelmäßig. Das
aber ändert sich.
Die Klimakrise ist da. Und mit ihr kommen Starkregen und Dürreperioden. Bereits
das dritte Jahr in Folge fiel in Deutschland und in Thüringen insbesondere im
für die Land- und Forstwirtschaft entscheidenden Frühjahr zu wenig Regen. Der
Zuwachs an Niederschlägen im Herbst und Winter wiederum - oftmals in Form von
Starkregen-Ereignissen - wird bei den anfallenden Wassermengen nur ungenügend
von den Böden aufgenommen.Inzwischen hat die Grundwasserneubildung ein solch
kritisch niedriges Ausmaß erreicht, das dieses nur schwer wieder aufzufüllen ist
und sich in den nächsten Jahren zu einem immer größer werdenden Problem
auswachsen wird. In sommerlicher Hitze trocken gefallene Flüsse - etwa die Ilm
oder die Apfelstädt - sind nur der sichtbare Anfang. Dürre im Frühjahr,
Starkregen, der nicht aufgenommen werden kann - das ist die vorhergesagte
Zukunft, in der wir nun stehen.
Evidenzbasiert denkenden Menschen ist klar:
Wasser ist da kostbarste Gut, das in Zukunft nur noch begrenzt da sein wird und
welches daher beständig an Bedeutung gewinnt.
Während unter anderem aus der Landwirtschaft die Rufe nach Dürrehilfen immer
regelmäßiger und lauter werden, begeben wir uns auf die Suche nach Lösungen,
nach vorausschauendem Krisenmangement:
Wo ist Wasser zeitweise zu viel? Wie verteilen wir es, wenn es zu wenig wird?
Wie halten wir Gewässer „gesund“ und bewahren damit unsere wichtigste
Lebensgrundlage? Wie können wir mit unserer Landbewirtschaftung dazu beitragen,
natürliche Wasserkreisläufe wieder zu regenerieren und das Niederschlagswasser
in der Landschaft zu “halten”? Wie können wir unseren Wasserverbrauch effektiv
reduzieren?
Wir wollen weiter denken. Wenn wir effektiv und nachhaltig gegen Trockenheit
kämpfen wollen, müssen wir schon heute anfangen, Maßnahmen zu ergreifen.
Unser Ziel muss es sein, Wasser zu speichern, verantwortungsvoll zu verbrauchen
und sauber zu halten.
Wasser auf dem Land
1. Der Anteil der Flussauen in Thüringen beträgt derzeit nur noch 3% und sollte
wieder deutlich erhöht werden. Dazu können mit entsprechendem Anreiz Äcker und
Weiden wieder vernässt und allmählich in naturnahe Flussauen umgewandelt werden.
Durch geeignete Kompensations-Zahlungen sollten diese Umwelt-Leistungen der
Landwirt*innen unterstützt werden.
2. Sowohl der zunehmenden Trockenheit als auch einem immer geringeren,
wasserspeichernden Humusanteil auf den Feldern kann entgegengewirkt werden,
indem durch eine Wiedereinführung von Sträuchern und Bäumen in die Flur das
Mikroklima günstig beeinflusst, die Austrocknung durch Wind verringert und
zugleich die Bodenerosion bei Starkregen verhindert wird. Ziel muss es sein, das
Wasser zu speichern und ein schnelles Abfließen zu verlangsamen. Hierzu können
die breite Einführung von Keyline-Designs (an das natürliche Gelände angepasste
Modellierung von „Schlüssellinien“ zur besseren Aufnahme, Verteilung und
Speicherung von Oberflächen- und Bodenwasser) in Verbindung mit Regenwasser-
Rückhaltebecken, Baumfeldwirtschaft (Agroforst) und anderen Elementen einer
wasserspeichernden, bodenaufbauenden und damit regenerativen Landbewirtschaftung
beitragen. Denn Boden und Wasser sind untrennbar miteinander verbunden. Und so
sollte auch die durch schweres landwirtschaftliches Gerät verursachte
Bodenverdichtung in Form von Stausohlen und eine damit einhergehende Reduzierung
der Wasserleitfähigkeit des Oberbodens sukzessive durch eine bodenschonende
Bewirtschaftung ersetzt werden.
3. Hochwasserschutzmaßnahmen sollten nicht vordergründig und ausschließlich auf
eine schnelle Abführung des Regenwassers abzielen, sondern unbedingt auch eine
Förderung der unter Punkt 2 genannten vorbeugenden und regenerativen
Interventionen beinhalten.
4. Durch den flächigen Eintrag von Luftschadstoffen, durch Emissionen aus der
Industrie, dem Verkehr und privaten Haushalten sowie durch Auswaschung der in
der intensiven Landwirtschaft verwendeten synthetischen Dünge- und
Pflanzenschutzmittel gefährden wir die natürliche Regenerationskraft der
Gewässer - vom Bachlauf bis zum Meer. Hier braucht es eine starke Förderung
umweltgerechter Landbewirtschaftung und vermehrte Anstrengungen für die
Luftreinhaltung.
5. Der Wald muss in seiner Infrastruktur umgestaltet werden - vom Wasserableiter
hin zum Wasserspeicher. So sollten sein Überschirmungsgrad beständig erhöht und
Abflusskonzentrationen von Niederschlag vermieden werden. Wassergräben an
Waldwegen können das gesammelte Wasser beispielsweise direkt in die Wälder
abgeben.
6. Die Reaktivierung alter Wasserrückhalte- und Speicherbecken soll befördert
werden, denn sie verbessern das Mikroklima – zudem können diese Speicher als
Löschwasserreserve für Waldbrände genutzt werden.
7. Die Kontrolle der Gewässerrandstreifen sollte zukünftig durch die
Wasserbehörden und nicht von den Agrarförderzentren durchgeführt werden.
8. Viele Dörfer und Siedlungen Thüringens haben noch unausgeschöpfte Potentiale
in der Nachklärung ihrer Abwässer durch Pflanzenkläranlagen. Hierdurch könnten
Nährstoff-Einträge in Gewässer deutlich reduziert werden. Neuartige
Sanitärsysteme wie Trockentrenntoiletten und eine Rückführung von Urin und
Fäkalien in die Stoffkreisläufe durch geeignete Aufbereitung und Kompostierung
sollten weiter erforscht, durch veränderte gesetzliche Rahmenbedingungen
ermöglicht und zur breiten Anwendung gebracht werden.
9. Das landwirtschaftliche und gartenbauliche Versuchswesen in Thüringen soll
darin unterstützt werden, sich künftig dem Schwerpunkt „Anpassung an den
Klimawandel“ zu widmen: etwa regenerativen, humusaufbauenden
Bewirtschaftungsmethoden und einer Erprobung von Pflanzenkulturen, welche den
neuen, klimatischen Bedingungen gewachsen sind.
10. Da künftig Agrophotovoltaik-Systeme - also die Verbindung von Photovoltaik-
Anlagen und landwirtschaftlicher Bewirtschaftung auf derselben Fläche - einen
wachsenden Beitrag zur Gewinnung regenerativer Energien leisten werden, sollte
in Pilotprojekten untersucht werden, wie diese auch für ein Wassermanagement in
Form von Regenwassersammlung und -verteilung herangezogen werden können.
Wasser in der Stadt
1) Für ein erfolgreiches städtisches Wassermanagement ist eine kluge Kopplung
von städtischen Grünanlagen, naturnahen Freiräumen und Gewässern mit den
technischen Infrastrukturen der Wasserver- und entsorgung notwendig. Ihr gutes
Zusammenspiel erst wird es ermöglichen, Regenwasser in ausreichender Menge
zurückzuhalten, zu speichern und sinnvoll zu verwenden, wassersparend zu agieren
und die anfallenden Abwässer gut zu reinigen und wieder in den Wasserkreislauf
zurückzuführen.
2) Retentionsgründächer sowie neue Arten von Baumrigolen mit eingebauten
Speicherlamellen sollten gezielt gefördert werden. Einleitungsgebühren für
Niederschlagswasser sollten sich an orientieren, wie rückhalte- und
versickerungsfreundlich die Oberflächen von Dächern, Zufahrten und Freianlagen
ausgeführt sind.
3) Wasser, Abwasser und organischer Abfall müssen stärker in die
Sektorenkopplung einbezogen werden. So sollte Regenwasser beispielsweise an
geeigneten Stellen in städtischen Grünanlagen aufgefangen bzw. gespeichert
werden. Organische Abfälle sollten in Kompostierungsanlagen für eine regional
Verwendung aufbereitet werden und einer humusaufbauenden, wasserspeichernden
Landwirtschaft in der Region zugeführt werden.
4) Eine getrennte Entsorgung von Grauwasser (Abwasser ohne Toilettenabwässer)
und Schwarzwasser (Toilettenabwässer) ist anzustreben. Dies würde deren
Aufbereitung und Klärung erleichtern.
5) Generell müssen multifunktionale Strategien hin zu einem besseren
Abwassermanagement, Wasserrecycling und einer Kreislaufwirtschaft auf
Landesebene installiert werden, die alle Akteur*innen zusammenbringen
(verschiedene Ämter, Wasser- und Abwasserbetriebe, private Hausbesitzer*innen)
6) Verzichtbare Bitumen- und Betonflächen sollten kartiert und dann sukzessive
und konsequent entsiegelt und durch eine versickerungsfreundliche Ausführung der
Flächen ersetzt werden - etwa durch Bepflanzung, wassergebundene Wegebeläge.
Rasengittersteine u.ä.
7) Generell müssen multifunktionale Strategien zur besseren (Regen-
)Wassernutzung und zur Intensivierung einer umweltgerechten Abwasserreinigung
auf Landesebene installiert werden. Diese sollten unter Einbeziehung aller
relevanten Akteur*innen entwickelt werden - insbesondere durch die beteiligten
Behörden, die Wasser- und Abwasserbetriebe, Universitäten und
Forschungseinrichtungen sowie die Kommunen und engagierte Vertreter*innen der
Bürger*innenschaft..
Kommentare
Ilona Jurk:
Des Weiteren enthält dieser Antrag viele wissenschftliche und praktische Ansätze, die es den einzelnen Stadt- bzw. Kreisverbänden ermöglichen, fundierte Anträge im jeweiligen Stadtrat bzw. Kreistag zu stellen. ---
Dieser Antrag ist gleichzeitig ein gutes Arbeitsinstrument.
Vielen Dank an Katharina für Zusammenfassung der vielfältigen Maßnahmen, die im Herbst in den unterschiedlichsten Gruppen und Videokonferenzen diskutiert wurden.
Andreas Hornung: